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Kölner -Kult-Treff

 
 
 

Interview mit Klaus Nierhoff
am 18. April 2004

Klaus Nierhoff


 
 
 
Seit mehr als zwei Jahre ist Klaus Nierhoff bereits in der Rolle des Christian Brenner in der Lindenstraße zu sehen und gehört mittlerweile zum festen Ensemble der Serie. Auch bei den Zuschauern gewinnt diese Figur von Folge zu Folge mehr an Sympathiepunkten.
 
Wie die Fans reagieren, wenn sie Klaus auf der Straße treffen, was seine Familie damals von seinem Berufswunsch Schauspieler zu werden hielt und wie Klaus selbst zu Christian Brenner steht, das alles und noch viel mehr erfahrt ihr in unserem großen Interview mit den sympathischen Lindensträßler, der privat, im Gegensatz zu seiner Rolle, alles andere als spießig ist.
 
 
 
 
 
 
 

Du hast Anfang 1989 bereits einen Freund von Robert Engel, Jahre später dann noch mal den Tauchlehrer von Dr. Dressler in der Lindenstraße gespielt. Wie kam es dann plötzlich zu der Dauerrolle in der Serie?
Der Horst Scheel, der wirklich ein ganz toller Caster ist, hatte mich noch mal vorgeschlagen, hatte aber auch gesagt: "Na ja, ob das noch mal durchgeht, da Du ja vor kurzem erst als Tauchlehrer da warst, weiß ich nicht." Dann hat aber der Hans W. Geißendörfer gesagt:" Genau den nehmen wir", und dann hab ich die Rolle, ohne noch mal ein Extra-Casting machen zu müssen, gekriegt.
 
War die Rolle des Christian Brenners von Anfang an als Hauptrolle konzipiert?
Es gab vor mir ja schon einen Darsteller des Christian Brenners. Als ich dafür einsprang, war das relativ wenig und ich weiß nicht, ob diese Rolle von Anfang an für eine Dauergeschichte geplant war. Ich habe erst immer für einzelne Tage, für einen gewissen Zeitraum, aber noch nicht als Ensemblemitglied gedreht. Das hat sich jetzt erst ergeben.
 
Was magst Du an Deiner Rolle und was nicht?
Ein positiver Anteil ist z.B. das Verantwortungsbewusstsein, das Christian Brenner hat, seine Zuverlässigkeit. Dass er sich in eine Beziehung begibt und auch dazu steht, dass er auch mit seiner Stieftochter versucht den richtigen Ton zu treffen. Das mag ich an Christian.
 
Was mir privat dagegen geht, ist diese absolute Spießigkeit. Er hat ja sehr konservative Wertvorstellungen, z.B. gegenüber seiner lesbischen Tochter oder den schwulen Freunden von Urzula. Das würde mir privat gegen den Strich gehen, aber für die Serie ist es natürlich auch ne schöne Spielfarbe.
 
Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Dir und Deiner Rolle?
Ich würde mal sagen dieses Ernstnehmen von Bindungen und Gefühlen und sich dann auch verantwortlich fühlen. Er kocht und isst auch gern - wie ich.
 
Was machst Du sonntags um 18.40 Uhr?
Lindenstraße gucken. Aber wir haben in der Zeit auch so einen Kochclub, das heißt, es wird in der Zeit auch immer Essen vorbereitet und das essen wir dann nach der Lindenstraße.
 
Hast Du eine Lieblingsserie?
Ich fand früher "Liebling Kreuzberg" eine ganz tolle Serie, "Sex in the City" find ich gut und mein absoluter Superhit ist momentan "24". Diese Serie finde ich genial. Da habe ich jetzt auch schon die zweite Staffel auf DVD und gucke die rauf und runter. Ich liebe das über alles. Diese Konstruktion von Echtzeit, dann ist Kiefer Sutherland ein super Hauptdarsteller, dann diese dauernden Wendungen der Geschichte, so dass die Leute nicht wissen, sind die Figuren in dieser Serie jetzt wirklich gut oder böse. Dass im letzten Moment das Ruder zum Beispiel rumgerissen wird... Das finde ich schon genial.
 
Wenn Du die Lindenstraße-Drehbuchfäden in der Hand hättest, was würdest Du an Deiner Rolle anders machen?
[Klaus lacht] Ich würde mir mehr Drehtage geben!
 
Was magst Du an der Lindenstraße besonders gern?
Ich finde, dass der besondere Reiz der Serie ist, dass sie einen Bezug zum Alltag hat und es ist ja auch ein bisschen was Pädagogisches dabei. Das heißt, jede Figur hat eine gewisse Notwendigkeit Themen abzuarbeiten, die gesellschaftlich relevant sind. Meine Rolle steht zum Beispiel auch für diese Spießigkeit und für das Konservative, auch für das Anti-Schwule-Denken oder dass ich am Anfang nicht mit dem Lesbisch-sein meiner Tochter klar komme. Das hat einen aufklärerischen Aspekt, den ich sehr begrüße. Manchmal würde ich mir wünschen, dass man noch mehr in alltägliche Situationen geht.
 
Hattest Du bisher eine Lieblingsszene in der Lindenstraße?
Ich fand die Szene so lustig, als ich mit Urzula zum ersten Mal im Bett war und Helga Beimer kommt ins Schlafzimmer, weil sie Urzula verdächtigt, mit Hans zu schlafen. Als wir die Szene probten, war Marie-Luise erst im Flur, wir hatten uns noch gar nicht begrüßt und kannten uns auch gar nicht so gut und ich sagte zur Regisseurin, dass Helga einen nackten Kerl sehen und wirklich einen Schreck kriegen muss. Und das haben wir dann wirklich so gemacht, dass zwar nicht alles zu sehen war, aber dass ich doch nackt und entblöst da lag. Und bei der ersten Probe, wo sie dann in das Zimmer hineinstürzt... Das Gesicht hätte man aufnehmen müssen. Das war so richtig erschrocken und live. Das hat sehr viel Spaß gemacht.
 
Gibt es Szenen oder Themen, bei denen Du Dich weigern würdest, diese zu spielen?
Ja, wenn ich jetzt zum Beispiel absoluten Müll sprechen müsste, pornographische, diskriminierende Inhalte oder wenn irgendetwas völlig gegen die Figur wäre. Man kann sich bei der Lindenstraße aber darauf verlassen, dass das nicht passiert.
 
Was machst Du in den Drehpausen?
[Klaus lacht] Nicht mehr rauchen. Und mich dann natürlich auf die nächste Szene vorbereiten. Montags den "Spiegel" lesen. Wenn die Sonne scheint, sitze ich auch draußen und klöne ein bisschen mit den Kollegen.
 
Wie hast Du reagiert, als Du den Anruf für die Hauptrolle bekommen hast?
Na ja, das ist ja bei mir schleichend gewesen. Ich wusste nicht so ganz, ob das nun wirklich eine große oder eher eine kleinere Rolle wird. Aber als mir dann der Hans W. Geißendörfer gesagt hat, dass es doch ein bisschen mehr werden würde, da habe ich mich sehr gefreut.
 
Bist Du vor dem Dreh noch aufgeregt?
Ja, ich glaube ohne die Einstellung, dass das wichtig ist und dass man auch etwas leisten muss, geht das nicht. Ich bin jetzt nicht mehr so aufgeregt wie beim ersten Drehtag, aber das ist auch ganz klar. Immer, wenn ich zum ersten Mal irgendwo hingehe, habe ich ganz schönes Lampenfieber, weil alles fremd ist und da hat man dann viel mehr Angst, etwas falsch zu machen. Das habe ich natürlich nicht mehr, weil es ja wie eine Familie ist bei der Lindenstraße. Ich fühle mich inzwischen aufgehoben. Aber man muss natürlich auch was leisten. Denn man hat sich ja vorbereitet und man will das auch umsetzen. Und so ganz ohne Spannung geht das nicht.
 
Wie schnell lernst Du Deinen Text?
Manchmal denke ich, ich bin gar kein guter Lerner, aber dann habe ich auch schon Monologe fürs Theater gelernt, wo ich dachte: "Wow, das ging jetzt aber doch ganz schnell, wo Du doch nur so wenig Zeit hattest." Aber das ist ganz unterschiedlich. Wenn die Situation klar und begreifbar ist, dann lernst Du den Text besser. Da hast Du sofort einen Bezugsrahmen und weißt, so würde ich vielleicht auch reagieren. Es kommt immer darauf an, wie die Szene geschrieben ist. Jetzt kennen die Autoren in der Lindenstraße mich auch schon und ich kenne die Figur besser, dann kommt es doch relativ zügig zu Stande.
 
Wie verstehst Du Dich mit Deiner Serienpartnerin Anna Nowak beim Dreh?
Anna ist sowieso mein Favorit. Das war wirklich von Anfang an ein Glückstreffer mit ihr, weil es z.B. gar nicht so leicht ist, miteinander eine Bettszene zu spielen. Aber wir haben uns wirklich von vornherein gemocht und wir haben uns auch beide darauf gefreut, mehr miteinander zu drehen und in der Rolle ein Paar zu werden. Auch privat haben wir eine gute Beziehung zueinander und damit sind auch die intimen Szenen, die wir spielen, überhaupt kein Thema. Wir gehen da entspannt heran, einfach nur professionell, wie kriegen wir das jetzt gut in die Kiste. [Klaus lacht] Also jetzt in die Fernsehkiste.
 
Gibt es Szenen, die unangenehm zu spielen waren?
Ich finde es immer ganz schwierig bei meiner Größe von 1,86 m in dieser kleinen Küche umherzuspringen, weil man dauernd irgendwelche Stühle umrennt und es auch lichttechnisch ganz schwierig dort ist. Da war ja auch die Szene, in der ich vier Leute in der Küche bekoche und mit der Suppe um den kleinen Tisch herumgehe und denen einschenke und auftische... Das ist so kompliziert... Also ich hab's dann doch schon lieber ein bisschen geräumiger.
 
Könntest Du Dir auch privat vorstellen in einer Straße wie die Lindenstraße zu leben?
Ach, das wäre mir wahrscheinlich dann doch ein bisschen zuviel Konfliktpotential, glaube ich. Ich zum Beispiel wohne in einem Haus, wo wir alle befreundet sind und dann ist es natürlich was anderes.
 
Du hast ja auch schon im "Marienhof" mitgespielt. Was ist der Unterschied zwischen der Lindenstraße und einer Daily Soap?
Bei einer Daily Soap werden die Themen - schon aus Zeitmangel - oberflächlicher behandelt und der große Vorteil bei der Lindenstraße ist, dass wirklich der Alltag abgebildet wird. Eben auch mit den Einwirkungen, die die Politik und die gesellschaftlichen Strömungen auf die einzelnen Menschen haben.
 
Was ist Dein größter privater Wunsch?
Gesundheit und alt werden.
 
Hast Du Vorbilder?
Ja. Ich habe jetzt neulich mal darüber nachgedacht, denn als erstes hat man ja immer diese Superstars als Vorbilder, weil man denkt, das ist unerreichbar. Jeder sagt dann Robert de Niro, weil der so ein tolles method acting macht. Aber ich finde auch manch gediegenen Fernsehschauspieler toll. Wie zum Beispiel Heinz Baumann, der den Chef in "Adelheid und ihre Mörder" spielt. Das ist so einer, der immer noch spannend und nicht abgenudelt ist. Oder Peter Bongartz oder Hans Korte oder Günther Mack. Das sind für mich Vorbilder, die eine große Erfahrung in ihrem Beruf haben. Auch finde ich Leute toll, die sowohl vor der Kamera als auch auf der Bühne eine gute Figur machen können.
 
War es immer Dein Traum Schauspieler zu werden?
Ja, aber ich habe mich lange nicht getraut, das zuzugeben. Eigentlich war das schon ein Kindheitstraum, aber ich bin in einer kleinbürgerlichen Familie aufgewachsen und da hieß es natürlich erst einmal: "Du musst etwas Vernünftiges machen und studier erst mal und mach Dein Abitur...". Und ich habe dann während meines Lehramtstudiums für Germanistik und Biologie, das ich bis zur Zwischenprüfung sogar durchgezogen habe, in der Studiobühne auch Leute kennengelernt, die mich mit dem anderen Teil verbunden haben, den ich eigentlich auch immer schon wollte. Und darüber habe ich dann auch eine Connection zum Theater "Der Keller" gekriegt und habe dort eine Aufnahmenprüfung gemacht und wurde da Gott sei Dank genommen. Denn ich hätte wahrscheinlich nicht den Atem gehabt, noch die ganzen Schauspielschulen in der gesamten Bundesrepublik abzuklappern.
 
Was sagt Deine Familie heute dazu?
Och, spätestens, als ich mit Eva Pflug (die aus Raumschiff Orion) gemeinsam auf der Bühne stand, waren sie dann milde gestimmt. Vorher waren sie sehr sehr skeptisch.
 
Wie kritisch siehst Du Dich denn selbst im Fernsehen?
Och ja, da gibt's immer was zu meckern. Manchmal gefalle ich mir, aber in jeder Episode gibt es was, wo ich denke: "Mist, das hätteste auch anders machen können...". Es ist auch schwierig sich von Freunden kritisieren zu lassen, denn Freunde kennen natürlich alle Deine privaten Eigenarten und können Dich im Grunde genommen gar nicht mehr objektiv sehen. Man selbst sich auch nicht. Ich bin auf konstruktive Kritik von außen angewiesen.
 
Wirst Du oft auf der Straße erkannt?
Ja, das wird jetzt wieder mehr.
 
Nervt es manchmal auch, wenn man gesprochen wird?
Jetzt während meiner Lindenstraße-Zeit nicht. Als ich noch im Marienhof war, der ja auch eine viel jüngere Zielgruppe hat, gab es Situationen, wo plötzlich eine junge Meute hinter mir her rannte und das war zum Teil schon furchtbar. Denn die wollten sich dann natürlich auch dicke tun vor ihren Kumpels und haben gesagt: "Ehh, guck mal, der Hannes!" So hieß damals meine Rolle. Oder ich musste Tipps zu irgendwelchen Fußballspielen geben, weil Hannes Fitness-Trainer war, und ich interessiere mich überhaupt nicht für Fußball...
 
Jetzt kommt manchmal: "Guck mal, der spielt bei Lindenstraße mit." Oft trauen die Leute sich nicht, jemanden normal anzusprechen. Denn eigentlich mag ich das sehr gerne, wenn ich auf eine respektvolle Art und Weise angesprochen werde. Wenn das allerdings jemand nur als so ein Showding macht und man selber gar nicht weiß, wie man sich verhalten soll, weil man eigentlich nur als Objekt gesehen wird, dann ist es unangenehm.
 
Wie lange kannst Du Dir vorstellen noch in der Lindenstraße zu spielen?
So lange die hier in Köln produziert wird und ich in Köln lebe, gerne bis zum 100. Geburtstag.

 

Steckbrief:
 
Geburtstag:
5. Dezember 1958
 
Geburtsort:
Werl, aufgewachsen im Sauerland
 
Wohnort:
Köln
 
Größe:
1,86 m
 
Lieblingsstar:
Heinz Baumann
 
Lieblingsfilm:
z.Z. Was das Herz begehrt
 
Lieblingsbuch:
z.Z. "Meines Vaters Land" von Wibke Bruhns. Das kann ich nur jedem empfehlen. Das ist ganz toll und man erfährt viel von deutscher Geschichte.
 
Lieblingsessen:
Spaghetti Bolognese
 
Was isst Du gar nicht gerne?
Kohlrabi
 
Lieblingsgetränk:
Kölsch
 
Lieblingsstadt:
Köln
 
Lieblingsland:
Spanien
 
Liebste Freizeitbeschäftigung:
Essen gehen
 
Was geht Dir auf die Nerven?
Wenn Leute rumzicken und nicht zum Punkt kommen.
 
Welche Eigenschaften sollten Deine Freunde haben?
Sie sollten direkt, ehrlich und respektvoll sein.
 
Was möchtest Du den Lindenstraße-Fans noch sagen?
Haltet uns die Treue und sorgt dafür, dass bis zu meinem 100. Geburtstag diese Serie am Laufen bleibt!

 

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